1. Ausgangslage
Mit Beschluss der Vertragsparteien soll die „Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen“ (in der Folge „Anstellungsbedingungen“ genannt) für die Branche Geomatik und Landmanagement in einzelnen Punkten angepasst werden. Die Vereinigungen empfehlen ihren Mitgliedern die Annahme folgender Änderungen:
- Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 41 auf 41.5 Stunden
- bei gleichzeitiger Erhöhung des Ferienguthabens auf 6/5/6 Wochen;
- Festlegung des Saldos an Mehr-/Minderstunden auf den Stundenumfang von 2 Arbeitswochen (statt fix 82 Stunden);
- Einführung eines zusätzlichen freien Halbtags pro Jahr zum Besuch der Generalversammlung eines nationalen Verbandes.
Die „Vereinbarung über die Anstellungsbedingungen“ ist für alle Anstellungen (mit Ausnahme des Kantons VD) in den Bereichen Geomatik und Landmanagement verbindlich anzuwenden. Darüber hinaus ist sie gemäss Artikel 1 auch auf weitere Anstellungen der IGS-Betriebe anwendbar (etwa Büro- oder Reinigungspersonal), sofern für diese nicht ausdrücklich eine anderslautende schriftliche Einzelabrede getroffen wurde (z. B. Abschluss eines schriftlichen Einzelarbeitsvertrags, welcher die Inhalte der Anstellungsbedingungen als nicht anwendbar erklärt oder diese Inhalte wie Arbeitszeit, Lohn, Ferien, Krankentaggeld usw. abweichend regelt).
2. Arbeitsrechtliche Beurteilung
Die vorgeschlagenen Änderungen in den Anstellungsbedingungen haben aus Sicht der Angestellten allesamt neutrale oder positive Auswirkungen.
Der negative Aspekt der erhöhten der Wochenarbeitszeit (41 auf 41,5 Stunden) ist im Entscheid unmittelbar an die deutlich vorteilhaftere Erhöhung des Feriensaldos gebunden. Insgesamt resultiert eine Verbesserung von ca. 1 % mehr Freizeit.
Während die Einführung eines zusätzlich freien Halbtags ebenfalls eine positive Veränderung für Mitarbeitende ist, sind die Auswirkungen der „Begrenzung von Mehr-/Minderstunden auf das effektive Pensum“ als neutral zu beurteilen.
Diese Einschätzung ist aufgrund der arbeitsrechtlichen Grundsätze entscheidend:
Sofern sich die Situation für die Mitarbeitenden verschlechtert (auch wenn dies nur einzelne Bestimmungen oder Personen betrifft), ist die Einführung einer Änderung nur im gegenseitigen Einverständnis (jeder betroffenen Person) oder aber mittels sog. Änderungskündigung (unter Einhaltung der Kündigungsfrist) möglich.
Wenn sich die Situation für die Mitarbeitenden nicht verschlechtert (wie es vorliegend bei einer gesamthaften Übernahme der Änderungen der Fall ist), kann dies ohne Zustimmung und ohne Änderungskündigung auf einen beliebigen Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden.
3. Umsetzung in den Betrieben
Die Anstellungsbedingungen bilden die Mindestbedingungen ab. Die Arbeitgeber können sie also unterschiedlich umsetzen und haben – besonders nach oben – gewisse Spielräume (etwa bei Lohn, Wochenarbeitszeit, Ferien usw.). Solche Spielräume werden meist in den einzelnen Arbeitsverträgen genutzt, können aber auch in einem Personalreglement festgeschrieben sein.
Je nach Umsetzung in den Anstellungen hat eine Annahme der vorgeschlagenen Änderungen in den Anstellungsbedingungen auf die unterstellten Betriebe unterschiedliche Auswirkungen.
(1) Wenn ein Betrieb keine abweichenden Regelungen getroffen hat
Sofern ein Betrieb gar nichts geregelt hat oder die „Anstellungsbedingungen“ gesamthaft als anwendbar erklärt hat, muss er nach deren Anpassung arbeitsrechtlich nichts unternehmen (sollte aber natürlich über die – für Angestellte positiven – Änderungen informieren):
Die angepassten Anstellungsbedingungen wären mit ihrem neuen Wortlaut ab Datum der Inkraftsetzung bei Annahme durch alle Vertragsparteien automatisch anwendbar. Namentlich würde bei Gutheissung der Anträge ab dem 01.01.2018 ein Feriensaldo von 6/5/6 Wochen und eine wöchentliche Arbeitszeit von 41,5 Stunden (für das Vollzeitpensum) gelten.
(2) Wenn ein Betrieb für Mitarbeitende abweichende Regelungen getroffen hat
Die im Einzelarbeitsvertrag oder mündlich abgemachten Vereinbarungen bleiben gültig, soweit sie nicht unter dem Minimum der Anstellungsbedingungen liegen. Sofern sie aber für Mitarbeitende schlechter wären, gelten die Regelungen der „Anstellungsbedingungen“.
Beispiel: Wenn im Einzelarbeitsvertrag die (aktuelle) Ferienregelung von 5/4/5 Wochen vereinbart wurde, wird diese nach der vollzogenen Anpassung (voraussichtlich ab dem 01.01.2018) automatisch auf das Mindestmass der Anstellungsbedingungen erhöht (6/5/6).
Wenn aber eine grosszügigere Regelung von z. B. 6/5/6/7 Wochen vereinbart wurde, bleibt diese gültig.
Achtung, wenn sich dadurch die Gesamtsituation für Angestellte verschlechtern würde:
Wenn ein Betrieb schon heute eine Ferienregelung mit 6/5/6 Wochen kennt, darf er trotz Änderung der Anstellungsbedingungen die Wochenarbeitszeit nicht auf 41,5 Stunden pro Woche erhöhen! Weil dies für seine Anstellungen eine negative Veränderung wäre (höhere Wochenarbeitszeit, unveränderte Ferien), müsste der Betrieb hierfür das Einverständnis jeder betroffenen Person einholen. Ohne diese ausdrückliche Einwilligung (bitte schriftlich) würde bezüglich wöchentlicher Arbeitszeit weiterhin die 41-Stundenwoche gelten (obwohl der Vertrag auf die Anstellungsbedingungen verweist und dort neu 41,5 Stunden steht).
(3) Wenn ein Betrieb für Mitarbeitende neu abweichende Regelungen treffen will
Solange ein Betrieb nicht die Mindestvorgaben der Anstellungsbedingungen unterschreitet, darf er abweichende Lösungen vereinbaren. Mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Betroffenen kann also auch eine bisher bessere Regelung verschlechtert werden.
Beispiel: Im Einzelarbeitsvertrag für eine qualifizierte Fachperson ist folgendes geregelt:
- 80‘000 Franken Jahreslohn (aktuelle Anstellungsbedingungen: 75‘000 Franken)
- 40 Arbeitsstunden pro Woche (aktuelle Anstellungsbedingungen: 41)
- 5/4/5 Wochen Ferien (wie aktuelle Anstellungsbedingungen)
- 14 Feiertage (aktuelle Anstellungsbedingungen: 9)
Durch die Änderung der Anstellungsbedingungen beträgt die Anzahl Ferientage neu (2018) 6/5/6 Wochen, die restlichen Abmachungen bleiben unverändert. Der Arbeitgeber kann sich aber eine solche Besserstellung (mit höherem Lohn, tieferer Wochenarbeitszeit und mehr Feiertagen) nicht mehr leisten. Es steht ihm frei, im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer (oder „erzwungen“ durch Änderungskündigung) eine Verschlechterung der verschiedenen Komponenten (welche besser sind als die Anstellungsbedingungen) „anzubieten“, z. B.:
- Lohnsenkung (muss aber über dem Mindestlohn von 75‘000 Franken bleiben)
- Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit (z. B. auf die neuen 41,5 Stunden)
- Senkung des Anspruchs auf Feiertage (muss aber bei mindestens 9 bezahlten bleiben)
4. Zusammenfassung: Auswirkung der Änderungen auf die Betriebe
Sofern ein Betrieb mit den einzelnen Arbeitnehmern zu Wochenarbeitszeit und Ferienanspruch gar nichts geregelt hat oder pauschal auf die Anstellungsbedingungen verweist, passiert die Anpassung automatisch, gelten also voraussichtlich ab 01.01.2018 die neuen Regelungen (namentlich 6/5/6 Wochen Ferien und 41,5 Wochenarbeitsstunden fürs Vollzeitpensum).
Wenn ein Betrieb mit den Arbeitnehmern gewisse Inhalte vereinbarte, welche unter dem Minimum der neuen Anstellungsbedingungen liegen, werden diese durch die Anpassung der Anstellungsbedingungen verbessert (wenn man z. B. ab dem 21. Altersjahr durchgehend
5 Wochen Ferien vereinbart hat, erhöht sich dieses Recht mit Erreichen des 50. Altersjahr automatisch auf 6 Wochen).
Wenn ein Betrieb seinen Arbeitnehmern gewisse Verbesserungen eingeräumt hat, gelten diese auch nach der Anpassung der Anstellungsbedingungen weiterhin (wenn man eine grosszügige Ferienregelung mit 6/5/7 Wochen kannte, bleibt diese unverändert).
Achtung: Wenn man bisher die neu in den Anstellungsbedingungen als Minimum 6/5/6 Wochen Ferien gewährte, bleibt dieses Ferienrecht zwar weiterhin gleich; man darf aber ohne explizites Einverständnis aller Betroffenen nicht die Wochenarbeitszeit von 41 auf 41,5 Stunden erhöhen, weil sich damit die Arbeitsbedingungen gesamthaft verschlechtern würden.
Wenn ein Betrieb die mit Änderung der Anstellungsbedingungen eingeführten Verbesserungen kompensieren will, muss er für diese Verschlechterung das Einverständnis aller Betroffenen einholen (und kann es nur dort vollziehen, wo er heute über den Mindestbestimmungen liegt).
Centre Patronal Bern
Christian Streit
lic.iur., Fürsprecher